Sinus Mileu Moderne Performer - Jugendliche

Lebenswelt von jungen Menschen

In den letzten Monaten habe ich mich sehr stark mit der Lebenswelt junger Menschen auseinandergesetzt. Daraus entstanden ist nachfolgender Artikel.

Wer wird heute als Jugend bezeichnet? Dies ist eine trügerische Frage, da Soziologen immer häufiger feststellen, dass die Zeit des Erwachsenwerdens immer länger andauert. Der Einstieg in diese Lebensphase, beginnt in etwa mit dem 12. Lebensjahr und dauert an bis zum Alter von 29 Jahren. Das ist eine lange Zeit, doch noch nicht genug. Die demographische Entwicklung zeigt, dass die Anzahl der Jugendlichen immer mehr schrumpfen wird, was zu der Annahme führt, dass die Interessen der Einzelnen mehr in Konflikt gegeneinander geraten als heute. Neben diesem Konflikt innerhalb der eigenen Altersgruppe ist auch der Bedarf nach Unterscheidung gegenüber den eigenen Eltern und der älteren Generation sehr problematisch, auf Grund deren „forever young“ Lebensstil. Die Frage ist hier, wenn die Generation der Eltern sich bis jetzt als jung bezeichnet und auch in der Zukunft jung bleiben möchte, wie soll sich dann die Generation von den 12 bis 29 Jährigen bezeichnen und fühlen?

Es ist offensichtlich, dass die Frage der Jugendzeit aktuell nicht beantwortet werden kann. Aber es kann eine Antwort darauf gegeben werden, welche Charakteristiken die jungen Menschen von heute haben. Doch zuerst ist es Zeit ein wenig mehr zu differenzieren, denn es ist nicht möglich immer über „die jungen Menschen“ zu sprechen.

Der erste Schritt sollte sein von nun an über die 14 bis 19 Jährigen als Jugendliche zu sprechen. Des Weiteren gibt es dort aber auch noch die jungen Erwachsenen, welche im Alter zwischen 19 und 27 Jahren sind. Die Hauptmerkmale für diese Lebensphasen sind, dass diese Personen an einem Bildungsprogramm teilnehmen. Die Jugendlichen besuchen die Pflichtschule und die jungen Erwachsenen besuchen Universitäten,  befinden sich in Ausbildungen oder in anderen Bildungsmaßnahmen.

Recht interessant ist, dass junge Menschen generell sehr pragmatisch denken und handeln. Sie wissen, welche Voraussetzungen sie haben müssen und welche Optionen sie besitzen. Für die Jugendlichen bedeutet dies, dass sie sehr stark ihre Zukunft bedenken in Sicht auf deren Chancen eine Universität nach dem Schulabschluss zu besuchen oder einen Ausbildungsplatz zu finden. Die jungen Erwachsenen dahingehend schauen sehr stark auf den Einstieg in die Arbeitswelt oder aber auf die Gefahr arbeitslos zu werden. Die größten Argumente, warum die jungen Menschen so pragmatisch sind, können einfach dadurch begründet werden, dass die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, die unüberschaubare Anzahl von privaten Beziehungen und die Präsenz der globalen Krisen, wie Erderwärmung oder der Bankrott von Ländern, eine große Unsicherheit ausstrahlen. Auch wenn die Perspektiven einen Job zu finden nicht sehr gut sind durch die Situation der Wirtschaft, so schauen die jungen Menschen dennoch sehr positiv in ihre Zukunft.

Eine andere mehr generelle Charakterisierung, bevor es mehr ins Detail der zwei Hauptphasen des Erwachsenwerdens geht, ist zum Beispiel das Bestreben nach „Schönheit“. Viele junge Menschen investieren sehr viel ihres Geldes, ihrer Zeit und ihrer Emotionen darin, dass sie als „schön“ in ihrem Umfeld wahrgenommen werden wollen. Fragen darüber wie wichtig Kleidung, Haarstyle oder Schuhe sind, haben eine absolute Akzeptanz von über 90 % in Umfragen. In enger Verbindung zu dieser Kennzahl hat die Wichtigkeit von Events zugenommen, da sie als Plätze wahrgenommen werden, wo die eigene Person als „schön“ dargestellt werden kann, um Prestige zu erlangen. Die Selbstpräsentation ist sehr wichtig und erklärt vielleicht auch den Trend, dass junge Menschen sehr viel Zeit dafür aufbringen, um Profile im Internet zu pflegen, bei denen sie denken, dass diese sie einzigartig machen.

Ein weiterer Trend der letzten Jahre ist der Anstieg des Medienkonsums. Hier muss insbesondere das Internet mit in Betracht gezogen werden. 94,7 Prozent von den 14 bis 29 jährigen Menschen sind aktiv im Internet auf einer regulären Basis. Konkret bedeutet dies, dass neun von zehn Teenagern Web 2.0 Applikationen wie Facebook, YouTube oder Netlog kennen. Dabei ist die Rate von Personen, die sich wirklich mit diesen Communities identifizieren, sehr hoch mit 42 Prozentpunkten.

Dies steht im Kontrast dazu, dass moderne Gesellschaften Personen nicht als Individuen wahrnehmen, aber als solche, die eine Rolle annehmen müssen. Wenn jeder nur eine Rolle übernimmt und die individuelle Person unwichtig wird, ist dieses für das System ein großer Gewinn, da dies bedeutet, dass jeder ersetzt werden kann bei Fortbestand der Rolle. Die Betrachtung, ob die Effekte dieser Situation für die Gesellschaft über kurz oder lang gut oder schlecht sind, ist nicht wichtig an dieser Stelle, doch es ist wichtig zu sehen wie schwierig das Leben von jungen Menschen dieser Tage ist, weil sie sich ständig auf der Suche nach der zu ihnen passenden Rolle befinden und diese finden müssen, wenn sie nicht verlieren wollen.

Im nächsten Schritt ist es wichtig einen Blick auf die „Sinus Milieustudie U27” zu werfen, welche die aktuellste Studie ist, die das Lebensumfeld von jungen Menschen darstellt und dabei auch für die kirchennahen Organisationen die notwendigen Trends aufzeigt. In der Studie wird zwischen sieben verschiedenen Milieus unterschieden. Dabei wird auf der einen Ebene die soziale Lage betrachtet, die sich aus dem Bildungsniveau ergibt. Auf einer zweiten Ebene findet eine Unterscheidung auf Basis der Grundeinstellung statt, zwischen traditionellen Werten, Modernisierung und Neuorientierung.

Die Haupterkenntnis der Studie ist, dass in der Zukunft das Milieu der „Modernen Performer“ unsere Gesellschaft leiten wird und Kirche es gerade nicht schafft Personen aus diesem Milieu zu erreichen. Um eine wichtige Rolle in der Zukunft spielen zu können, ist es aber wichtig mit dieser Zielgruppe zu arbeiten und Szenarien dafür aufzustellen. Die Wichtigkeit von diesem Milieu ist sehr hoch, da dies die Gruppe ist, welche oftmals zu den “early adopters” gehören und auch die Personen sind, welche Trends als Meinungsmacher setzen, die von anderen Milieus aufgegriffen werden.

Doch wie kommt es zu Stande, dass die Katholische Kirche es nicht schafft dieses wichtige Milieu zu erreichen? Warum ist hier die Rede davon, dass zwischen der Jugend von heute und der Kirche eine große Lücke klafft oder warum ist hier die Rede von „Krise“? Kurz gesagt darf behauptet werden, dass der Grund bei den Personen liegt, die aktuell für die Kirche arbeiten. Dies schließt auch die Personen mit ein, die in der Jugendarbeit aktiv sind. Auf der einen Seite sind dies die hauptamtlichen Mitarbeiter und auf der anderen Seite aber auch die Ehrenamtlichen. Ein Vorwurf, der auch schon vor einigen Jahren von einem Soziologen gemacht wurde, lautet, dass die Personen, die kirchliche Jugendarbeit machen die Lebenswelt der Jugendlichen total missverstehen.

Eine schlechte Ausgangsvoraussetzung für die Katholische Kirche heute, doch ergibt sich daraus auch eine Chance für Fortschritt und Innovation – diese muss nur ergriffen und genutzt werden.

>> Siehe auch Blogeintrag: Moderne Performer – Jugendliche: 14 – 19 Jahre
>> Siehe auch Blogeintrag: Moderne Performer – Junge Erwachsene

4 responses to “Lebenswelt von jungen Menschen

  1. Wäre nicht eine Konsequenz aus deinen Überlegungen, dass wir in der Kirche einfach wieder mehr lernen müssen zuzuhören? Wohl eine christliche Grundtugend, Christopraxis pur. Das kommt vor allem anderen.

    Ich bin da übrigens sehr der Meinung, dass es mittels Web2.0, besonders Twitter, sehr einfach möglich ist den „modernen Performern“ und „Experimentalisten“ (lt. Sinusstudie) zuzuhören – und vielleicht sogar in positiven Kontakt zu kommen. Aber das ist sicher nur ein Aspekt, Internet ist eh klasse, aber wird die von dir aufgeworfene Fragestellung wohl nicht lösen.

  2. Ja es wäre eine Konsequenz, dass Kirche wieder lernen muss zuzuhören. Leider muss dieser Ansatz auch sinnvoll in die Praxis umgesetzt werden. Doch dieses wird von vielen bestehenden Institutionen nicht gemacht, weil sie dadurch einen „Machtverlust“ erwarten.

    Pragmatisch gesehen sind die meisten „Aktiven“ in Kirche gerade aus den traditionellen Milieus, welche so gut wie keinen Einfluss mehr auf die Gesellschaft besitzen. Wenn diese sich nun für die Kirche/im Sinne der Kirche öffnen würden, dann werden sie nicht mehr die „Macht“ haben, die sie aktuell noch zu besitzen scheinen. Die Folge einer „Öffnung“ und eines aktiven zuhörens hätte mittel- und langfristig die Folge, dass sich die gesellschaftlich leitenden Milieus wieder mehr mit in Kirche einbringen würden (mit ihren Leitungsfähigkeiten).

    Also es gibt sicherlich viele Lösungen egal ob im Medium Internet oder auch real life, doch es muss der Wille bestehen eine Kirche für die Menschen zu sein und nicht nur die Kirche für sich selbst und einen kleinen ausgewählten Personenkreis zu erhalten.

  3. Ich bin ja eine, die nicht aus diesen traditionellen Milieus ist und überhaupt nicht die klassische Theologinnen-Biografie hat – und ich merke schon auch, dass es da immer um kulturelle Codes geht, die einladend, abschreckend, interessant oder uninteressant sind. Da muss sich was ändern, …
    …. naja, mir fällt jetzt einfach ein: Fangen wir an!

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